Die Arbeiten von Lucie Rie (1902–1995) zählen zu den meistbeachteten Keramikobjekten des 20. Jahrhunderts. 1902 in Wien geboren, durchlief diese eine Ausbildung an der dortigen Kunstgewerbeschule und feierte noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erste Erfolge. 1938 musste Rie nach London emigrieren, wo sie ein Haus mit Werkstatt in der Albion Mews nahe des Hyde Parks bezog. Von dort aus machte sie sich nach Kriegsende innerhalb weniger Jahre einen Namen als Keramikerin. In ihrem Schaffen verband sie eine aus ihrer Heimat mitgebrachte, von den frühen Arbeiten der Wiener Werkstätte geprägte, formale Strenge mit Einflüssen aus der asiatischen Keramik und den Eindrücken prähistorischer Objekte. Typisch für ihr Werk, das klassische Gefäßkeramik wie Vasen, Schalen oder Kannen umfasst, ist eine einfache Formensprache. Dabei verlieh Rie ihren Objekten oftmals durch die Herausarbeitung einer asymmetrischen Gestalt eine besondere Wirkung. Die Rohkörper wurden noch vor dem nur einmal durchgeführten Brand mit Glasuren versehen, die genaueste fachliche Kenntnisse verlangten. Übereinandergelegt zeichnen sie Ries Werke durch unterschiedliche Farbkombinationen aus, so auch die Schale aus dem Besitz der Neuen Sammlung. Auf ein figürliches Dekor verzichtete sie, verwendete für einige Stücke lediglich eine Sgraffitotechnik (Ritztechnik). Lucie Ries Leistung war es, dass sie mit ihrer ebenso einfachen wie hochkomplexen Arbeitsweise an die Ideen der Moderne anschloss, ohne dabei die Ansprüche und Möglichkeiten ihres Handwerks zu verleugnen. Sie nimmt in der Kunstgeschichte eine gleichsam zeitgemäße und für sich stehende Position ein.