05. November 2024

Neuerwerbung: Die EinDollarBrille

Autor*in:

Theresa Gatarski

5

min

Lesezeit

Das Original-Modell der EinDollarBrille
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
Eine Brille mit Vision. Wie Social Design aus Erlangen die Welt ein Stück besser macht.

Die Brille ist zeitlos: klar, schlicht, puristisch. Sie besteht aus einem leichten, aber extrem stabilen Federstahlrahmen und geschliffenen Gläsern aus bruchsicherem Kunststoff. Dank eines simplen Klicksystems können die Gläser in der passenden Stärke mit einem Handgriff in den Rahmen eingesetzt werden.

Die Materialkosten für eine Brille liegen bei etwa einem US-Dollar, daher auch ihr Name: EinDollarBrille. Damit die Brille für alle erschwinglich ist, liegt der Verkaufspreis bei zwei bis drei Tageslöhnen, angepasst an das jeweilige Land.

Hergestellt wird sie auf einer einfachen Biegemaschine. Diese benötigt keinen Strom und kann daher problemlos auch in strukturschwachen Regionen eingesetzt werden. Die Brillenbiegemaschine ist so gesehen die kleinste Brillenfabrik der Welt und ermöglicht eine individuelle Anpassung des Designs.

Neben dem persönlichen Gestaltungsspielraum für die eigene Brille – sei es mit Perlen, farbigen Details oder Variationen bei der Form von Gläsern und Bügeln – werden auch stetig neue Brillenmodelle entwickelt.

Neu in der Sammlung
Dank einer Schenkung des EinDollarBrille e.V. wurden vier Brillen und eine Brillenbiegemaschine, die weltweit im Einsatz war, in Die Neue Sammlung aufgenommen und ergänzen die knapp 70 Objekte umfassende Brillensammlung des Museums um den Bereich soziales und inklusives Design.

Foto von einem Stapel aus vier Brillen. Die Brillen bestehen aus einem schlichten Drahtgestell. Eine davon ist eine Sonnenbrille mit dunklen Gläsern.
Vier Modelle der EinDollarBrille
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)

Die Idee der EinDollarBrille wurde mehrfach national und international für ihre technische Präzision, Innovation und Effizienz ausgezeichnet. Hinter dem Design steht eine weltweit tätige Organisation mit der Mission „Gutes Sehen für alle Menschen“.

Wie alles begann
Martin Aufmuth, der Erfinder der EinDollarBrille und Gründer des Vereins EinDollarBrille e.V. experimentierte 2012 in seinem Keller mit verschiedenen Materialien, bis die ersten Prototypen der Federstahlbrille und die dafür notwendige Biegevorrichtung fertig waren.

Was damals ganz klein im Keller eines Erlanger Reihenhauses begann, hat bis heute bereits mehr als einer halben Million Menschen zu einem besseren Leben verholfen. Die Motivation dahinter ist es, eine Lösung für das globale Problem unbehandelter Fehlsichtigkeit anzubieten.

Laut einer WHO-Studie von 2019 benötigen 950 Millionen Menschen eine Brille, können sich diese aber nicht leisten oder haben keinen Zugang. Kinder können dem Unterricht nicht folgen, Erwachsene keine qualifizierte Arbeit aufnehmen.

Die EinDollarBrille – aus Deutschland in alle Welt
Mittlerweile ist der gemeinnützige EinDollarBrille e.V. eine weltweit tätige Organisation, die seit über 10 Jahren dafür sorgt, dass Kinder und Erwachsene in Asien, Afrika und Südamerika ein besseres Leben führen können.

Auf internationaler Ebene arbeiten die einzelnen Länderorganisationen unter dem Dach GoodVision International zusammen. Ziel ist der Aufbau einer dauerhaften augenoptischen Grundversorgung für Menschen weltweit.

Um auch die abgelegensten Dörfer zu erreichen, sind die Länder-Teams mit speziell ausgerüsteten Lastwagen unterwegs. Eine neue digitale Strategie hilft dabei, die geografischen Aktivitäten der Stiftung zu tracken und die Daten der mit Brillen versorgten Personen zurückzuverfolgen. So kann beispielsweise rasch modifiziert oder für Ersatz gesorgt werden.

Soziales Design
Für Die Neue Sammlung waren mehrere Kriterien ausschlaggebend dafür, die Brillen in ihre Sammlung des Museums aufzunehmen. Die minimalistische Gestaltung der Brille, die ihren Grund hat, ist ästhetisch ansprechend und ermöglicht zugleich mit wenigen austauschbaren Attributen ein customized design.

Der Produktionsprozess ist simpel, gut durchdacht und basiert auf einfachsten Mitteln. So kann die Brillenproduktion von jedem angelernten Menschen und weltweit an den unterschiedlichsten Orten optimal umgesetzt werden.

Auch der soziale Aspekt des Produkts spielt eine wichtige Rolle. GoodVision International ermöglicht zahlreichen Menschen eine augenoptische Grundversorgung und investiert außerdem konsequent in die Förderung von Kompetenz vor Ort: Durch Aufklärung, Ausbildung von Fachkräften, Aufbau von Strukturen und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Auf diese Weise unterstützt die Organisation Menschen bei der Sicherung ihrer Existenzgrundlage und fördert ihre Zukunftschancen. So entstehen auch in Regionen mit schwach entwickeltem Arbeitsmarkt neue Arbeitsplätze mit Perspektive. Die Förderung umfasst dezidiert auch die Inklusion benachteiligter Gruppen.

Das Projekt EinDollarBrille verbindet auf vorbildliche Weise gutes Design mit technischer Innovation und sozialem Engagement. Mit der Aufnahme der Brillen ergänzt Die Neue Sammlung nicht nur ihre Brillen-Sammlung, sondern sie erweitert auch die Bestände des Museums insgesamt in Bezug auf soziales, inklusives und nachhaltiges Design.

Martin Aufmuth und Lars Herrig vom EinDollarBrille e.V. zu Gast in der Landesschau Rheinland-Pfalz am 10. September 2024
Impressionen der Arbeit von GoodVision international im Programmland Burkina Faso, wo optische Dienstleistungen nicht für jeden zugänglich sind.

Mehr entdecken

Blick in die Ausstellung im Futuro. Unter durchsichtigen Kuppeln, jeweils mit dem Modell beschriftet sind die Sonnenbrillen auf einem Tisch ausgestellt.
Blick in die Ausstellung, Satellit 9. Counterculture. Cazal Eyewear meets American Hip Hop, 2019.
Foto: Archiv Die Neue Sammlung

Satellit 9. Counterculture Cazal Eyewear meets American Hip Hop

Space-Designs im Futuro. 2019 fand im Futuro-Haus eine Studioausstellung mit ausgefallenen Brillen von Cazal Eyewear statt.

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