Die Prismeninstallation von Aloys Ferdinand Gangkofner
Autor*in:
Xenia Riemann-Tyroller
min
Lesezeit
Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums 1925/1926 hat Die Neue Sammlung einen neuen Raum dem Glas in seiner Vielfalt und Farbenpracht gewidmet. Dafür entwickelten das Office Heinzelmann Ayadi (OHA) eine gläserne Ausstellungsarchitektur, in der ein besonderes Objekt verortet wurde: Die Glasprismeninstallation von Aloys Ferdinand Gangkofner (1920 – 2003).
Sie besteht aus über 170 Glasprismen, die an sieben vertikalen Metallprofilen eingefädelt wurden. Sie sind auf diesen Stangen so verteilt, dass trotz der statischen Konstruktion Rhythmik und Bewegung entsteht. Durch verschiedene Lichtspots glitzern die Glasprismen und werfen ihre bunten Spektralfarben in die Umgebung.
Ursprünglich stand diese Installation in der Eingangshalle der Osram-Zentrale in München. Sie diente als Raumteiler und reflektierte künstliches und natürliches Licht, das durch die großen Glasfenster ins Innere fiel.
Das sechsgeschossige Hochhaus auf quadratischem Grundriss gehörte zu einem Komplex, der vom Architekten Walter Henn (1912 – 2006) für den internationalen Lichtspezialisten entworfen und 1965 realisiert worden war.
Das Verwaltungsgebäude von Osram war ein bedeutendes Beispiel der internationalen Moderne in Deutschland nach 1945. Es beherbergte die ersten Großraumbüros Europas mit großzügigen Raumaufteilungen und großflächigen Glasscheiben als Trennwänden von Konferenzräumen. Nachts verwandelten umlaufende Fensterbänder das ganze Gebäude in einen leuchtenden Kubus.
Für die Eingangshalle des Gebäudes gestaltete Aloys Ferdinand Gangkofner, der zu diesem Zeitpunkt an der Akademie der Bildenden Künste München Fachlehrer für Glasgestaltung war, zusammen mit seinem Assistenten Karl R. Berg (geb. 1943), der die Form der Glasprismen entwickelt hatte, eine Installation aus 19 vertikalen, unterschiedlich versetzten Metallstäben, an denen über 340 Glasprismen befestigt wurden.
Die Prismen wurden in den Hessischen Glaswerken in Stierstadt aus Bleikristall gegossen und anschließend von der Firma Sim in Krumbach geschliffen. Beide Firmen existieren nicht mehr.
Gangkofner wurde 1973 an der Münchner Akademie zum Honorarprofessor ernannt, 1983 erhielt er den Lehrstuhl für Glas und Licht. Sein Nachfolger wurde 1993 Norbert Prangenberg (1949 – 2012), Professor für Keramik und Glasmalerei.
Das Gebäude wurde nach dem Verkauf an einen Bauinvestor – trotz vieler Bemühungen privater Initiativen, es zu retten – 2018 abgerissen. Bevor der gläserne Kubus dem Erdboden gleichgemacht wurde, hatte Die Neue Sammlung jedoch die Gelegenheit, die Installation zu erfassen, abzubauen und zu sichern.
Zu diesem Zeitpunkt war die Installation bereits beschädigt und nicht alle Glasprismen sind erhalten. Daher zeigt Die Neue Sammlung nur einen Ausschnitt der ursprünglichen Situation, die anhand von technischen Grundrisszeichnungen aus dem Privatbesitz der Witwe Ilsebill Gangkofner bestens dokumentiert ist.
Die Glasprismenwand gehört nun zum festen Bestandteil der ständigen Sammlung. Ihren Architekturbezug hat sie zwar verloren, aber ihre Geschichte wird weitererzählt. Und etwas ganz besonders wird deutlich: Glas und Licht sind untrennbar miteinander verbunden und erleuchten auch die Sehenden.