10. Oktober 2018

Bruno Martinazzi. Journey Into The Soul

Autor*in:

Petra Hölscher

13

min

Lesezeit

Bruno Martinazzi mit Steinmetzen während der Arbeiten an der Skulptur „Die 2 Kräfte“ für die Direktion des Automobilherstellers FIAT in Turin, 1986.
Foto: Archiv Bruno Martinazzi und Die Neue Sammlung
Ein Vortrag in Auszügen

Bruno Martinazzi, einer der ganz Großen des Autorenschmucks, verstarb am 14. Juli 2018. Eine wichtige Station seines Lebens als Schmuckkünstler war München. Mit der bayerischen Metropole verband den italienischen Grandseigneur nicht nur die Freundschaft mit dem späteren Akademieprofessor, dem Münchner Goldschmied Hermann Jünger und die Zusammenarbeit mit Herbert Hofmann und seinem Nachfolger Peter Nickel. Beide verantwortlich für die seit 1959 jährlich auf der Internationalen Handwerksmesse stattfindende Schmuckausstellung. Mit München war auch 1965 die Ehrung mit dem Bayerischen Staatspreis verbunden, dem 1987 der Goldene Ehrenring der Gesellschaft für Goldschmiede in Hanau folgen sollte.

Über viele Jahre begleitete Martinazzi, der mit seinen zumeist in Gold gearbeiteten Schmuckobjekten wie kaum ein zweiter die Italianitá verkörperte, die Arbeit der Neuen Sammlung und der Danner-Stiftung mit sehr großem, freundschaftlichem Interesse. Einer der Höhepunkte bildete die gemeinsame Ausstellung „Bruno Martinazzi. Memory Maps“ im Jahr 2011.

Foto Goldschmuck. Zwei quadratische Blättchen sind übereinander gelegt, das obere, kleinere Rechteck hat rechts einen gezackten Rand, der ins Innere der Fläche ragt.
Bruno Martinazzi, Brosche „Economic Growth Eye“ (Prototyp), 1968. Die Neue Sammlung – Dauerleihgabe der Danner-Stiftung München.
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo).
Foto Armschmuck. Eine goldene Hand, die nach etwas greift und mit Mittelfinger sowie Daumen einen Ring formt.
Bruno Martinazzi, Armschmuck „Goldfinger“, 1969. Die Neue Sammlung – Dauerleihgabe der Danner-Stiftung München.
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)

Bereits 2005 hatte Bruno Martinazzi auf Einladung der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne im Rahmen der Reihe „All About me“ einen Vortrag über seinen Weg hin zu dem einzigartigen Künstler gehalten, dessen Arbeiten wir alle bewundern und die weltweit eine essentielle Wirkung auf die Entwicklung des Autorenschmucks hatten.
Was liegt da aus Sicht der Neuen Sammlung näher, als ihn am Ende seines Weges noch einmal selbst zu Wort kommen zu lassen und den Vortrag stark gekürzt und in Auszügen nochmals wiederzugeben:

Schwarz- Weißes Porträt-Foto. Ein Mann um die 70 sitzt auf einem Stuhl im Publikum, Hinter ihm sitzen weitere Menschen. Der Mann hat einen schwarzen Anzug an, eine Krawatte umgebunden und die Hände im Schoß gefaltet. Sein Gesicht ist lange, sein dichtes Haar ist weiß, seine Augenbrauen markant. Er trägt keinen Bart.
Verleihung des Goldenen Ehrenrings der Gesellschaft für Goldschmiedekunst an Bruno Martinazzi, Hanau 1987.
Foto: Müller-Dodi

(…)
Als Kind versuchte ich, die gleichen Dinge zu machen, die mein Vater mit Leidenschaft getan hatte. Meine Mutter erzählte mir von seiner Liebe zu den Bergen und der Fotografie. Ich spielte mit den Chemikalien und mit seinen Entwicklungsgeräten in einer eher unprofessionellen Dunkelkammer und sah zu, wie märchenhafte Berge erschienen. (…) Bergsteigen wurde zu meiner Leidenschaft. 1947, nach vier Jahren kriegsbedingter Abwesenheit, kehrte ich in die Berge zurück.
(…)
Es gibt eine Zeit, die zerstört, und eine Zeit, die rettet. Ich glaube, dass die Zeit uns etwas schenkt, aber nur, wenn wir dies anzuerkennen und unsere Dinge zu schützen wissen: Das ist die ‚Seele‘. In der Seele sammeln sich die Dinge, die abwesend sind: alles das, von dem uns zu trennen wir gezwungen sind, unsere Wünsche und all das, was in der Wirklichkeit keinen Platz findet. Ich versuche, mich und die anderen zu verstehen, aber, um dieses Ziel zu erreichen, brauche ich meine Hände und meinen Körper, so wie beim Bergsteigen. Ich weiß, dass ich die Vollkommenheit und die Schönheit nicht erreichen kann, aber ich kann in der Schönheit wirken, ich kann nach der Schönheit streben und Kunst machen. Mit zehn Jahren nahm ich Geigenunterricht. Mein Lehrer wollte, dass ich mich der Musik widme. Meine Familie war dagegen und ich studierte Chemie bis zum Abschluss. Als ich 30 wurde, fing ich endlich mit Kunst an, aber für Musik war es zu spät. (…)
‚Die Materie sehnt sich nach einer Form wie der Kranke nach der Gesundheit‘, so sagte Meister Eckhart, ein berühmter deutscher Mystiker. Stein und Gold warten geduldig: Das Gold ist unverderblich, und es ist, als ob der Stein im Laufe der Zeit eine Seele annähme. ‚Es gibt Steine, die wärmen wie Herzen, und Herzen, die kalt sind wie Steine‘ (Talmud). Die Formen, die auf ihre Befreiung warten, befinden sich in der Seele der Dichter und damit aller Menschen. Der berühmte italienische Dichter Giacomo Leopardi befasst sich in einem Gedicht mit den schwerwiegendsten Themen: dem Unendlichen, dem Leben, dem Tod. Diese werden jedoch mit Leichtigkeit dargestellt, und die Anmut seiner Worte macht schwere Dinge leicht und leichte Dinge schwer. Ich versuche, die Kunst, der ich mich hingegeben habe, aus der Schönheit hervorgehen zu lassen. Ich meine die Schönheit des klassischen Altertums, die ich von denjenigen geerbt habe, die vor mir Wissen daraus geschöpft haben. Man muss dieses Wissen vor Nachlässigkeit und Sinnlosigkeit schützen.
Neueste Forschungen haben bewiesen, dass ein erheblicher Teil des Kortex (im Gehirn) die Handbewegungen steuern. Ein Blättchen Gold zu treiben oder den Stein zu meißeln, sind entgegengesetzte und spiegelbildliche Tätigkeiten oder, wenn man so will, Spiele: Der Stichel erweitert die Blättchen, der Meißel verkleinert den Steinblock. Man verwendet Werkzeuge unterschiedlicher Spitze und Hämmer mit unterschiedlichem Gewicht und mit unterschiedlicher Form. Anscheinend gibt es eine Kontinuität, aber die Spiele sind in der Tat unterschiedlich. Der Bildhauer arbeitet im Freien, in der Natur, oft zusammen mit anderen Menschen. Der Goldschmied arbeitet alleine in einem geschlossenen Raum, konzentriert auf einen kleinen Gegenstand, den er mit dem Feuer schmiedet. Bildhauerei ist Zusammenstoß / Umarmung, das Gold verlangt Finger von Kraft und Zärtlichkeit. In der Bildhauerei zeigen sich Form und Kraft, nachdem das Werk fast vollendet ist, während bei der Goldschmiedekunst die Form sofort ans Licht gelangt; sie ist aber ganz am Anfang sehr zerbrechlich und muss gepflegt und gestärkt werden. Der Bildhauer ist gewissermaßen mit einem Titan, der Goldschmied mit einem Alchimisten und Schamanen vergleichbar. Der Alchimist betrachtet, erforscht und testet die Materie: Seine Mittel sind Wasser, Feuer, Mythen und Philosophie. Der Schamane erwirbt seine Kenntnisse aus unbestimmten Formen. Kunst machen bedeutet lernen und wissen. Etwas machen und schaffen mit Körper und Seele hilft, die Wirklichkeit zu verstehen. Was wir als Kunst bezeichnen, ist ‚diese ursprüngliche Verbindung von Seele, Auge und Hand.‘

‚Der Mensch kann sich erkennen als Kern des Tuns und der Hingebung, der Hände und des Verstands‘ (Zitat aus Giordano Bruno, Die Vertreibung der triumphierenden Bestie).
1968 war das Jahr des Studentenprotestes. Ich unterrichtete in Savona. Das war wie eine Welle, dieser Wunsch nach einer Veränderung, die die Gesellschaft in Bewegung versetzte. In meiner Arbeit gab es für mich auch eine Wende. Meine Erwartungen wurden bald enttäuscht, infolgedessen änderte sich auch meine Wahrnehmung der Welt; die Flutwelle hatte sich zurückgezogen und die Überreste einer zerstörten Wirklichkeit hinterlassen.
Wenn ich zunächst mit Ironie diese Fragmente betrachte, fühle ich mich zunehmend dazu geneigt, sie wieder zusammenzustellen, sie zu erlösen, sie wieder in einem Gesamtbild zusammenzuführen. Aber nicht die letzten Fragmente, sondern Einheiten, die nach der Gesamtheit streben.
(…)

Schwarz-Weißes Porträt. Ein junger Mann steht an einer Felswand. Er stützt sich auf einen Stock mit spitzem Eisen. Er trägt dicke Wollkleidung, einen Hut, Handschuhe und Stiefel. Um die Hüfte ist ein Seil gebunden.
Bruno Martinazzi beim Bergsteigen, 1947.
Foto: Archiv Bruno Martinazzi und Die Neue Sammlung

(…)
Es gibt im Altgriechischen ein Wort, THUMŌS, welches seit Homer eine Vielfalt an Bedeutungen aufweist. Man kann es mit Sehnsucht, Odem des Lebens, Atem der Seele übersetzen; vielleicht drückt das deutsche Wort ‚Streben‘ diese Bedeutung aus. Ovids Werk ‚Metamorphosen‘ bot immer für Dichter und Künstler in Italien, wo man sich sehr oft an den Mythos anlehnt, eine unerschöpfliche Quelle für Metaphern. Mythos ist mündliche Geschichte, Erzählung, Wissen vor dem Logos, Märchen. Hier ist der Mythos nicht die Form, die unsere Gedanken aufnimmt und beruhigt. Hier verwendet der Künstler den Mythos, um seinen Gedanken Kraft zu verleihen. Der Künstler zieht sich nicht zurück in seiner Sehnsucht, er tritt mit seiner Kraft ins gegenwärtige Leben, den Augenblick, in dem die Form entsteht.
Für mich war Amerika das Land von Stardust, Flash Gordon, Jean Harlow und Wallace Beery. Einst dachte ich, die Freiheit strahlt Licht aus. Jetzt sehe ich dieses Licht nicht mehr. Der Mund verändert sich ständig in seiner Form und Bedeutung. Jetzt hat ihn ein Schwert in zwei Teile gespaltet, seine Schönheit ist tief verwundet. Die Gewalt kann jedoch seine Würde nicht zerstören, die verlorene Schönheit ist nicht ausgelöscht.
Das Konzept Chaos / Verletzung wird zum Konzept Chaos / Öffnung. Einerseits bedeutet die Spaltung, dass die Gesamtheit verlorengegangen ist, andererseits kann aus der Öffnung das Leben geboren werden. Ganz am Anfang war in der Mythologie das Chaos, welches die Erde gebar. Dieses Konzept der Verletzung ist in den Werken über Narziss wiederzufinden. Auch Narziss weist eine Spaltung auf. Diese Verletzung ist unheilbar. Narziss ist durch den Spiegel von seinem Spiegelbild getrennt, er will sich dieses aneignen, statt dadurch zum Wissen zu gelangen. Ursprünglich zeigt sich das Wissen mit Freude. Statt die Schönheit zu lieben, will Narziss sie sich aneignen: Schönheit kann man jedoch nur berühren, befragen, fürchten, erlernen: ‚Wahrheit ist Schönheit und Schönheit ist Wahrheit‘. Der Spiegel wirft die Bilder zurück von Dingen, die sich hinter dem Betrachtenden befinden. Was hinter uns ist, ist bereits Vergangenheit, ist das, worüber man nachdenkt. Das Leben läuft aber vor unseren Augen ab. Im Spiegel befindet sich lediglich die Vergangenheit, nicht das Leben. Narziss erliegt der Versuchung und gerät in eine tödliche Falle: Wenn man dem Körper geben will, was dem Geist gehört, dann ist der Körper verloren. Narziss verwandelt sich in eine Blume und verliert seinen Körper.
(…)
Die Liebe … jeder von uns hat eine Erfahrung, die erzählt werden könnte. Was ist ein Kuss? Ein Versprechen? Das Unaussprechliche hervorrufen? Was ist Liebe?
Dante schreibt in der Göttlichen Komödie, Fegefeuer, 18. Gesang, Vers 25: ‚(vom Geist des Menschen) und diese Richtung, dies Entgegenneigen / Lieb‘ ist es…‘ Eine ganz leichte Bewegung der Seele, das ist der Ursprung einer Flamme, ‚… (des Geistes) der nicht ruht, bis, was er liebt, sich zum Genuss ergeben‘. Und wiederum Dante sagt, dass der höchste Ausdruck der Liebe darin besteht, das Gute zu begreifen. Hölderin sagt: ‚Aus Freude musst Du das Reine überhaupt verstehen‘, und spricht von ‚das augenblicklich Unvollständige ertragen‘.
(…) Dichtung, Mythos, Religion und Philosophie (…) werden zu Abbildungen der Seele, Monogrammen des ‚EINEN‘, des ‚verborgenen Gottes‘. Es sind Triaden: das Herz des Himmels, ein Mythos des Quiché-Reiches (heutiges Guatemala), der Versuch, mittels einer Synthese, einer Abkürzung, das Wesentliche eines Gedankens zusammenfassen. Die griechische Triade der Götter der Heilkunde: Äskulap, Hygieia, Telesphorus (der Kind-Gott). Alle zusammen schützen uns vor Krankheiten. Hesiod schreibt in seinem Werk ‚Erga‘ (Hauslehre), dass die Menschen den Göttern ähnlich geschaffen wurden. Das nannte man das Goldene Zeitalter.
In diesem Zeitalter begann der Niedergang der Menschheit hin zu Übel und Leiden. Raimondo Lullo, Dichter, Alchimist und Mystiker aus Katalonien, schrieb in seinem Werk ‚Ars Brevis‘ um 1300: ‚ Der Mensch ist ein Tier, das zum Menschen wird‘. Die klassischen Dichter haben das, was sie für die Zukunft sahen, in eine mythologische Vergangenheit gesetzt. Ich würde Hesiods Mythos völlig anders interpretieren: Im Gegensatz zu ihm sind das Goldene Zeitalter, das verlorene Paradies nur Metaphern, die das höchste, verborgene Streben des Menschen zum Ausdruck bringen sollen.
(…)
Das Gold hat mich zu einer Reise in die Seele geführt. Der Dialog mit dem Stein hat in mir ein Gefühl der Zeit geweckt. Während ich arbeitete, fragte ich mich: Warum ist der Stein so schwer? Der Stein, an dem ich arbeitete, kam aus einem Berg, aus einer Landschaft, umgeben von Rhododendren und Heidelbeersträuchern. Und noch früher, vor Millionen Jahren, war dieser Stein schon da, wie ich meinen geologischen Karten entnehmen konnte. Langsam ersann ich eine symbolische Gleichung Gewicht / Zeit, wie ich sie in meinem Werk ‚Die Materie und ‚Die Zeit‘ veranschaulicht habe.
Ich verglich unsere sicheren, bekannten Maßeinheiten mit den Maßeinheiten der Materie, die sich in Millionen von Jahren messen lassen. Es ist eine Größe, die unser Fassungsvermögen übersteigt, es ist das unendlich Große. Und doch, während ich arbeitete, war es, als ob ich dieses Unendliche, das Ewige erreichen könnte. Zeit und Schönheit der Materie, die sich in einfachen Figuren wie Gewicht, Meterstab, Gefäß, Daumen verbergen. Eine äußerst beunruhigende Zurücksetzung des Egos.
(…)
Die Hand drückt Kraft aus, sie verwandelt und gestaltet die Materie. Ich denke ans Meer, an seine zerstörerische Kraft, und denke ans Leben, an seine stets schöpferische Kraft. Die Hand kann sowohl erschaffen als auch zerstören.
Maß und Form sollen die Kraft lenken, die an und für sich weder gut noch schlecht ist. Sie ist einfach lebensnotwendig.
(…)
Die Figuren, die ich in Gold schnitzte, kehren heute nach vielen Jahren wieder zurück, und die Frage bleibt immer die gleiche: Wo ist Abel, dein Bruder? Der zweite Teil der Beethoven-Sonate op. 111 klingt wie eine herzzerreißende Frage. Das zermürbende Thema der Sonate wiederholt sich mehrmals mit seinen ‚außergewöhnlichen Variationen‘ und ruft Harmonie, Gefühle und Bedenken hervor. Es gibt keine Antwort, aber das Bewusstsein des Menschlichen wird stärker. In jenen Noten ist das ganze Leben, das Wesentlichste und Reinste von Gedanken, Gefühlen und Schicksal enthalten.
Ist es möglich, dass bei der Schmuckkunst, das heißt in jenem Detail, das dem Körper hinzugefügt wird und das die Einzigartigkeit des Tragenden, das Eigentliche des Menschen, das Ungesehene zeigt, welche die Person auszeichnen – ist es möglich, dass bei der Schmuckkunst etwas Ähnliches geschieht?
Bereits in der Vorgeschichte verzierten die Menschen ihre Körper mit wertvollen Objekten – wertvoll deswegen, weil sie Werte vermitteln, die auf andere Weise nicht zum Ausdruck gebracht werden können. Sie zeugen vom Wunsch und der Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu verändern, und repräsentieren jene Handlung, durch die der Mensch etwas heiligt, einen Gegenstand, der sich von allen anderen unterscheidet.
Die Geschichte der Schmuckstücke spiegelt den Geist der Menschen wider: ihr Bestreben, ihre Wünsche, ihre Werte. Die Kunst im Schmuck ist ein Wert, der ihn erst noch wertvoll macht. Diese Dinge zu tragen, bedeutet, Optimismus zu demonstrieren, Hoffnung in das Leben zu setzen. Zahlreiche Werke, auch wichtige, konnte ich nicht erwähnen. In allen aber ist das Streben nach dem Wissen und dem Verstehen mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht.
Wie die Schlange in der Bibel sagt: ‚ERITIS SICUT DII (Ihr werdet sein wie Gott), SCIENTES BONUM ET MALUM (und wissen, was Gut und Böse ist) ET APERIENTUR OCULI VESTRI (und Eure Augen werden aufgetan)‘. Und ihnen öffneten sich die Augen. Das Licht stellt die Offenbarung der Wahrheit dar, während das Auge ein Symbol für Kenntnis ist.
Dante im Werk ‚De Monarchia‘ redet von ‚Oculi mentis‘, den Augen des Sinns.
(…)
Ich habe über die Seele, über die Schönheit und über die Form gesprochen: Es sind Worte, die uns vereinen. Ich zitiere aus Shelley: ‚A single word even may be a spark of inextinguishable thought (Ein Wort, auch ein einziges, kann der Funken für unauslöschbare Gedanken werden)‘. Ein Dirigent sagte einmal zu mir, ‚eine kleine Flamme brennen zu lassen und diese an die anderen weiterzugeben‘, sei das, was wir noch heute tun können. Wir sind gerade im Begriff, alles aus unserer Erinnerung zu streichen, nicht allein die Kultur des klassischen Altertums, sondern unsere gesamte Vergangenheit.
Wir müssen eine Stille gewinnen, die uns wieder in die Lage versetzt, zu hören und zu beobachten.
Die Botschaft meiner Arbeit besteht darin, glaube ich, ein Bekenntnis abzugeben, eine Einladung dazu, innezuhalten, mit den Dingen auf Du und Du zu stehen, ganz bei sich zu sein, froh, gemeinsam zu denken, zu verstehen, zuzuhören.

Schwarz-weißes Gruppenfoto. Sechs Männer mit Mützen stehen in Reihe vor einer Steinskulptur. Im Hintergrund sind zwei Häuser und ein Hügel.
Bruno Martinazzi mit Steinmetzen während der Arbeiten an der Skulptur „Die 2 Kräfte“ für die Direktion des Automobilherstellers FIAT in Turin, 1986.
Foto: Archiv Bruno Martinazzi und Die Neue Sammlung

Ich möchte mich bei der Witwe von Bruno Martinazzi, Carla Gallo Barbisio, bei Ellen Maurer-Zilioli, Karl Bollmann und Arnoldsche Art Publishers bedanken, die dem Abdruck des hier nur in Teilen wiedergegebenen Vortrags zustimmten, der erstmals in ganzer Länge publiziert wurde in:

Ellen Maurer Zilioli / Karl Bollmann, Bruno Martinazzi, L’Oro E La Pietra, Stuttgart 2007, S. 6-41.
Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht in Art Aurea.