Bauhaus-Anhänger von Naum Slutzky
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Die Neue Sammlung
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Mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung ist es der Neuen Sammlung gelungen, eines der bedeutendsten Objekte der Goldschmiedewerkstätte am Bauhaus zu erwerben.
„Gerade bei Auktionen ist die Ernst von Siemens Kunststiftung mit ihrer schellen Reaktionszeit ein wichtiger Partner der Museen. Naum Slutzkys unikaler Anhänger konnte Dank des Vermächtnis‘ Ernst von Siemens und der Unterstützung der Siemens AG für die Neue Sammlung ersteigert werden.“ freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Schmuck am Bauhaus
Die Schmuckgestaltung am Bauhaus ist untrennbar mit dem Namen Naum Slutzky verbunden. Der in der Ukraine geborene und in Wien ausgebildete Goldschmied kam durch seinen Kontakt zu Johannes Itten 1919 an das Bauhaus in Weimar, wo er zunächst in der „Metallabteilung“ arbeitete und 1921 die Leitung der Goldschmiedewerkstatt übernahm. 1922 legte er seine Meisterprüfung ab.
Der zwischen 1920 und 1922 entstandene Anhänger gehört zu den wichtigsten Arbeiten Slutzkys, wie zahlreiche Veröffentlichungen belegen, die allerdings immer nur auf das vom Bauhaus publizierte Foto zurückgreifen konnten, da der Anhänger bis vor kurzem als verschollen galt. Slutzky hatte ihn der Bauhausstudentin Else Kleinwort geschenkt, in deren Familie das herausragende Schmuckstück knapp hundert Jahre bewahrt wurde, ohne dass die Fachwelt davon Kenntnis hatte.
Gefertigt aus verschiedenen Ringteilen und Zackenkränzen, die den äußeren Rahmen eines Schmucksteins bilden, steht der scheibenförmige Anhänger mit kleiner Spule und Kordel ganz am Anfang einer Reihe ähnlicher, meist nur fotografisch dokumentierter Entwürfe Slutzkys. Zugleich veranschaulicht das aus der Kreisform entwickelte Schmuckstück deutlich den Einfluss der Formenlehre Johannes Ittens auf Schmuckkompositionen seines einstigen Schülers.
Durch die Verwendung einfacher Materialien gelingt es Naum Slutzky, den engen Kanon des „Edlen“ der Schmuckmaterialien aufzubrechen und damit die Gestaltung in den Vordergrund zu rücken. Bei ihm stellt Schmuck kein Symbol für Prestige, Status und soziale Stellung dar, sondern der Wert ermisst sich allein aus der künstlerischen Gestaltung.
Der Anhänger wurde vom Bauhaus selbst als vorbildlich für die dort entstandenen Schmuckarbeiten angesehen. Bereits 1923 in der ersten großen Bauhaus-Ausstellung in Weimar vorgestellt, gehört der Anhänger zusammen mit einem Ring Slutzkys zu den einzigen Schmuckobjekten, mit denen Walter Gropius, Gründer und erster Direktor des Bauhauses, seine 1925 zusammengestellte Auswahl repräsentativer Bauhausarbeiten illustrierte.
Schmuckstücke wie dieser Anhänger stehen paradigmatisch für die avantgardistischen Gestaltungsansätze am Bauhaus, die zeigen, wie Schmuck in einen neuen Kontext gestellt und damit von seinen traditionellen Bindungen befreit werden kann. Mit seinem Rundscheiben-Anhänger schuf Naum Slutzky eines der prägnantesten Vorbilder für die Entwicklung des modernen Schmucks in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Provenienz: Aus dem Nachlass von Else Hopf, geb. Kleinwort (1897-1985), die 1920 am Bauhaus u.a. bei Gerhard Marcks studierte und Naum Slutzky freundschaftlich sehr verbunden war.
Naum Slutzky schenkte ihr den Anhänger zusammen mit zwei weiteren Objekten, die bis zur Wiederentdeckung im Jahr 2009 im Rahmen der Fernsehsendung Kunst + Krempel (Bayerischer Rundfunk) als verschollen galten: